Wenn die Kolleginnen und Kollegen die Arbeitszeit individuell und gemeinschaftlich erfassen, können sie im Team realistisch planen. Im Rahmen agiler Arbeitsmethoden sollen die Teammitglieder selbständig planen, in Scrum etwa sogenannte „Sprints“. Das gemeinsame Planen führt dazu führen, dass sich das „Commitment“ der Kolleginnen und Kollegen gegenüber den Zielen und der Planung erhöht. Aber das ist nur unter einer bestimmten Bedingung gesundheitsförderlich und daher nur dann im Interesse der Kolleginnen und Kollegen. Nur wenn nicht die Teamprozesse bestimmen, was geschieht, sondern tatsächlich die Kolleginnen und Kollegen bewusst selbst bestimmen, wie sie arbeiten. Dazu aber ist es notwendig, das zu lernen.
Zunächst spielt sich die Planung im Ideellen ab, im Kopf. Erfahrungsgemäß können nicht alle Eventualitäten in der Vorab-Planung berücksichtigt werden. Schon dadurch ergibt sich in der Regel ein Druck auf die Kolleginnen und Kollegen, der mit der Unbewusstheit der Gesetze der Zusammenarbeit zusammenhängen. Dann aber möchte ein Team liegengebliebene Aufgaben nicht ewig vor sich hinschleppen. Es wird also versuchen, die Ziele des nächsten Sprints so zu fassen, dass es verlorenes Terrain wieder zurückgewinnen kann. Dadurch wächst der Druck weiter an.
Die Mechanismen der indirekte Steuerung berücksichtigen
Realistisches Planen setzt eine Bekanntschaft mit den Mechanismen voraus, die zur – nicht erfassten – Verlängerung der Arbeitszeit führen. Dazu gehört auch eine Auseinandersetzung mit der Frage des „Helfens“. Die Unternehmen „schaffen Gelegenheiten“ dafür, dass die Kolleginnen und Kollegen einander helfen müssen. Sie sorgen dafür, dass sich entsprechende Mechanismen einstellen. Eine solche Hilfe ist einseitig. Sie hilft unmittelbar dem Kollegen und der Kollegin. Letztendlich unterstützt eine solche Hilfeleistung nicht den Kollegen oder die Kollegin, sondern die Zielerreichung des Unternehmen auf Kosten der Kolleginnen und Kollegen.
Eine Hilfeleistung, die nicht sich auch mit dem Problem befasst, warum sie notwendig ist, bleibt beschränkt. Man muss sich auch damit befassen, warum solche Hilfeleistungen immer wieder notwendig sind. Sonst hilft man einem Kollegen oder einer Kollegin im Einzelfall, zementiert aber die Überforderung des Teams. Denn das Unternehmen wird diese Hilfeleistung nicht als außergewöhnlich zur Kenntnis. Im Gegenteil wird es seine zukünftigen Planung auf die Leistung aufbauen, die Dank der Hilfeleistung möglich geworden ist. Es schraubt die Anforderungen auf ein moderat überforderndes Niveau hinauf und plant die Hilfeleistung ein. So entsteht ein Prozess, der nur schwer kontrollierbar ist.
Die wirkliche Hilfeleistung
Eine wirkliche Hilfeleistung setzt zugleich eine Unterbrechung dieses Prozesses voraus: Erforderlich ist das gemeinsame Handeln der Kolleginnen und Kollegen, die ihre tatsächliche Arbeitszeit einzeln und gemeinsam erfasst haben. Auf dieser Grundlage können die Kolleginnen und Kollegen realistische Planungen machen, die sie allerdings dann auch im Unternehmen durchsetzen müssen. Dazu bedarf es sowohl der Solidarität der Kolleginnen und Kollegen im Team wie der Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat.
Erst wenn realistische Planungen gemacht werden, tritt das eigentliche Problem auf den Plan: Der Hunger kapitalistischer Unternehmen nach unbezahlter Mehrarbeit.
Die Unternehmerfunktion auch für sich selbst gut wahrnehmen
Die Auseinandersetzung um die tatsächliche Arbeitszeit ist also ein Gradmesser dafür, wie sehr die Kolleginnen und Kollegen gelernt haben, gemeinsam mit der Unternehmerfunktion in einer Weise umzugehen, die nicht nur gut für das Unternehmen, sondern auch gut für die Beschäftigten ist. Dafür reicht es nicht – was in Deutschland im Allgemeinen gut klappt – für das Unternehmen gute Ergebnisse zu erzielen. Dafür ist auch eine gemeinsame Verantwortung für sich selbst und für die Kolleginnen und Kollegen notwendig. Denn die Zusammenarbeit darf nicht – wie das gegenwärtig oft stattfindet – systematisch auf Kosten der zusammenarbeitenden Individuen gehen. Vor allem aber darf sie nicht krank machen.