Burnout-Forschung

Der Anfang der Burnout-Forschung

Die Forschung zu Burnout begann mit dem Psychoanalytiker Herbert Freudenberger aus den USA. Er prägte den Begriff „Burnout“. Damit beschrieb er seinen eigenen Zusammenbruchs Mitte der 70er Jahre. Er fasste Burnout als eine Berufskrankheit helfender Berufe auf. In der Folge wurde diese Behauptung empirisch untersucht. Christina Maslach entwickelte einen Fragebogen mit, den sogenannten MBI (Maslach-Burnout-Inventory). Mit ihm wurde die These von Freudenberger überprüft. Es stellte sich heraus: Burnout kann in jedem Beruf auftreten.

Auf diesem Fragebogen fußt praktisch die gesamte Forschung zu Burnout bis heute. Dieser Fragebogen dient der Erfassung von Burnout als einer gesellschaftlichen Erscheinung. Er ist nicht für die Diagnose von Burnout bei Individuen geeignet. Inzwischen bezweifeln viele Forscherinnen und Forscher die Wissenschaftlichkeit des MBI. Damit bestreitet man zugleich die Wissenschaftlichkeit des Begriffs „Burnout“ überhaupt.

Von Burnout zur indirekten Steuerung

Die Forschung stellte sich auch auf die Frage, wie man Burnout-Prozesse verhindern kann. Dabei kam man zunächst zu der Ansicht: Bürokratie behindere die Entfaltung der Beschäftigten bei der Arbeit. Das führe zur Erschöpfung und zum Gefühl der Sinnlosigkeit bei der Arbeit. Daher komme es zu einem Rückzug der eigenen Energien aus der Arbeitstätigkeit. Dieser Analyse folgte eine entsprechende Therapie. Neue Formen der Arbeitsorganisation sollten Burnout verhindern. Die Burnout-Forschung förderte die gegenwärtigen Management-Formen. So lasse sich die Gefahr von Burnout verringern. Noch heute rechtfertigen Unternehmen indirekte Steuerung auf diese Weise.

Es zeigte sich jedoch spätestens in den 90er Jahren, dass dies eine Illusion ist. Die damals – wenn auch aus anderen Gründen – eingeführten Formen des Managements verhindern Burnout keineswegs. Im Gegenteil: Sie führen regelrecht an den Rand der emotionalen Erschöpfung. Das diskutiert man gegenwärtig sogar in der Arbeits- und Organisationspsychologie. Diese Erkenntnis bedeutete jedoch auch das Ende der Burnout-Forschung.

Von Burnout zu „Engagement“

Im Jahr 2001 beerdigte die Burnout-Forschung auf einem weltweiten Kongress ihr Thema. Man beschloss, dass Burnout ein negativ psychologisches Thema sei. Man wolle sich nicht mit negativ psychologischen Themen beschäftigen. Im Gegenteil gelte es positiv psychologisch „Engagement“ zu erforschen.

Dabei setzte die amerikanische Forschung im Wesentlichen auf den MBI. Wo eine geringe oder keine Tendenz zu Burnout feststellbar ist, da herrsche offenbar Engagement. In Europa dagegen dachte man positiv psychologisch. Man entwickelte- einen eigenen Begriff des „Engagements“. Dieser Begriff setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Tatkraft (vigor) bei der Arbeit, Hingabe (dedication) an die Arbeit sowie Konzentration (absorption) auf die Arbeit. Wo diese Formen des Engagements anzutreffen seien, könne Burnout ausgeschlossen werden. Diese Eigenschaften seien von den Individuen zur Arbeit mitzubringen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten ihre Forschung zu Burnout weitgehend ein.

In der Realität nimmt der Anteil der Krankheitstage zu, die auf psychische Erkrankungen zurück gehen. Die Therapeuten und Burnout-Kliniken müssen sich nach wie vor mit Menschen beschäftigen, die an Burnout leiden. Der Begriff Burnout scheint jedoch disqualifiziert zu sein. Auch Betroffene sprechen meist von „Depression“. Dadurch nimmt man die Perspektive des behandelnden Arztes ein. Burnout erscheint ausschließlich als eine Krankheit von Individuen. Der gesellschaftliche Aspekt verschwindet. Burnout erscheint nicht mehr als eine Epidemie.

Anforderungen an die Individuen an Stelle gesellschaftlicher Maßnahmen

Man fordert dann von den Individuen, dass sie gesund leben. Sie sollen Balance halten. Sie sollen lernen, sich abzugrenzen. Entspannungstraining hilft. Aber man weiß nicht, warum man das neuerdings machen muss. Das ist bedauerlich, da dadurch

  • der Bezug zu den Ursachen in der Arbeit verlorengeht.
  • Die Entwicklung individualisiert wird.

Das bedeutet auch: Die gesellschaftlichen Ursachen werden nicht überwunden. Das ist vergleichbar mit dem Versuch, Cholera zu überwinden, indem man den Menschen zuruft: Trinkt sauberes Wasser! Wascht Euch mit sauberem Wasser! Damals überwand man die Cholera anders: Man baute eine Kanalisation. Man sorgte dafür, dass das Wasser sauber war, und entsorgte den Abfall gesellschaftlich.