Führung

Aktuelle Führungskonzepte

Die neuen Führungsformen und die aktuellen Führungskonzepte, die die indirekte Steuerung umsetzen, berufen sich mit Recht auf ihren antiautoritären Charakter. Die Autorität der Führungskräfte geht tatsächlich drastisch zurück. Sie verschwindet allerdings nicht vollständig. Im Notfall sollen die Führungskräfte – und auch die Eigentümer – eingreifen können. Aber je weniger man von ihnen unmittelbar merkt, desto effektiver ist nach diesen Überlegungen die Führung. (Tatsächlich ist unmittelbares Eingreifen auch nicht produktiv. Es verhindert nur Fehlentwicklungen. Unmittelbares eingreifen schränkt die Nutzung der neuen produktiven Fähigkeiten der Kolleginnen und Kollegen ein.)

Von der Anweisung zur Beeinflussung

Die Unternehmen „denken Führung neu“. Es geht nicht mehr darum, Anweisungen zu geben, Gehorsam durchzusetzen und Abweichungen mit Sanktionen zu belegen. Die Führungskräfte sollen die Kolleginnen und Kollegen beeinflussen. Eine – aber eben nur eine – Form das zu tun ist die Anweisung. Sie setzt jedoch der Eigeninitiative der Kolleginnen und Kollegen enge Grenzen. Gibt sich nicht auch Beeinflussungsformen, die die Eigeninitiative der Kolleginnen und Kollegen nicht bremsen? Die Unternehmen suchen nach Formen der Führung, die die Eigeninitiative im Interessen des Unternehmens fördern (Zu einzelnen Quellen der psychologischen Vorstellung von Führung).

Steuerung durch organisierte Marktsituationen

Im Rahmen der indirekten Steuerung haben Unternehmensberater neue Führungsformen entwickelt: Die Unternehmensleitungen steuern kleine unternehmerische Einheiten – Firmen, Standorte, Abteilungen und letztlich Teams – dadurch, dass sie einen unternehmensinternen „Markt“ organisieren. Auf diesem Markt haben sich diese Einheiten zu bewähren. (Die Märkte richten sich an organisierte Einheiten, weil die nicht aus dem Unternehmen ausscheiden können. Das können nur einzelne Beschäftigte. Einheiten können nur seitens des Arbeitgebers aufgelöst werden.) Die Organisation einer marktähnlichen Situation, mit der sich die Beschäftigten gemeinsam auseinandersetzen müssen, ist die Kernaufgabe der Führungskräfte im Rahmen der indirekten Steuerung.

Führung als Bestandteil der Arbeit im Team

Durch diese aktuellen Führungskonzepte wandert die Aufgabe, die die Führungskräfte früher wahrgenommen haben, in die organisierten Einheiten, z. B. in Teams. Dort nehmen sie die Kolleginnen und Kollegen – im Wesentlichen unbewusst – wahr. Die Führung stellt eine wesentliche Seite der Unternehmerfunktion dar. Bei der Unternehmerfunktion handelt es sich um die Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Charakter der gemeinsamen Arbeit in kapitalistisch produzierenden Gesellschaften. Diese Auseinandersetzung findet unter zwei Aspekten statt. Einerseits geht es darum, etwas gesellschaftlich Nützliches zu erarbeiten, was auf dem Markt verkäuflich ist. Andererseits geht es darum, die Zusammenarbeit der Kolleginnen und Kollegen so zu organisieren, dass das Ergebnis zu einem marktgängigen Preis – mit dem üblichen Gewinn – verkauft werden kann. Die aktuellen Führungskonzepte müssen daher immer wieder unter diesen Aspekten reflektiert werden.

Die Unbewusstheit der Führung im Team

Aufgrund der Unbewusstheit sind die Führungsentscheidungen im Team im Wesentlichen Resultat unbewusster sozialer Prozesse – die ihrerseits das Bewusstsein der Kolleginnen und Kollegen bestimmen, die diese Entscheidungen treffen. Das gilt aber nicht nur für den Inhalt der Entscheidungen, sondern auch für deren Durchsetzung. Die Kolleginnen und Kollegen setzen ihre gemeinsam getroffenen Entscheidungen gegen andere außerhalb ihres Unternehmens, gegen andere innerhalb des Unternehmens, vor allem aber auch gegeneinander und gegen sich selbst als Einzelne durch. Und das geschieht im Wesentlichen bestimmt durch unkontrollierte soziale Prozesse zwischen den Kolleginnen und Kollegen, die von der Unternehmensleitung über die „Marktbedingungen“ angeregt werden.

Antiautoritäre Strukturen sind durch und durch begrüßenswert. Aber man muss sich klar machen, was durch den Verzicht auf autoritäre Strukturen verlorengeht. Die Autorität sollte nämlich über Bewusstheit dessen verfügen, was zu tun ist. Diese Bewusstheit müssen die Kolleginnen und Kollegen sich nun selbst erarbeiten, sollen die antiautoritären Strukturen sich zu ihren Gunsten auswirken. Gegenwärtig treffen die Kolleginnen und Kollegen die Entscheidungen in den Teams und Einheiten weitgehend unbewusst. Daher gehen die antiautoritären Strukturen im Rahmen der indirekten Steuerung oft zu Lasten der Kolleginnen und Kollegen. Dies aufzuzeigen, ist eine wesentliche Seite der Theorie der indirekten Steuerung. 

(Das ist im Rahmen kapitalistischer Entwicklung nicht ungewöhnlich: Gesellschaftliche Fortschritte setzen sich spontan – und damit auf dem Rücken der Beschäftigten – durch. Solange wir in einer kapitalistischen Produktionsweise leben und arbeiten, ist es erforderlich, dass die Kolleginnen und Kollegen darum kämpfen müssen, dass gesellschaftliche Fortschritte sich nicht zu ihrem Nachteil verkehren.)