Es gehen einige Ängste um in Deutschland, mit Recht auch die Angst vor dem Klimawandel. Das Gegenmittel ist die Konzentration auf die Frage, wie das 1,5-Grad-Ziel noch erreicht werden kann. Bewegungen wie „Fridays for Future“ oder „Extinction Rebellion“ protestieren und fordern eine Veränderung der Klimapolitik. Verbraucher und Verbraucherinnen sollen Energie sparen, sich einschränken, anders essen und sich anders bewegen. Es wird der Eindruck erweckt, als könne man den Klimawandel entweder im Supermarkt oder im Parlament verhindern oder wenigstens einschränken. In einem gewissen Umfang mag das stimmen. Doch die Erfahrung spricht dagegen. Umso radikaler wird der Protest. Nun sind die Grünen an der Regierung. Doch die Klimapolitik hat sich eher verschlechtert. Schuld mag der Krieg sein oder Putin oder wer auch immer: Der Klimawandel wird sich nicht an die Schuldigen halten. Es ist daher hilflos auf sie zu zeigen.

Im Supermarkt wird der Klimawandel nicht verhindert werden können. Politische Maßnahmen könnten eine Verlangsamung des Klimawandels ermöglichen. Aber es scheint wenig zweifelhaft, dass dieser Weg nicht so schnell wirken wird, wie es nötig wäre. Das Klima verändert sich schneller, zumal die Unternehmen angeblich „freiwillige Selbstverpflichtungen“ nicht umsetzen, sondern nutzen um Zeit zu schinden. Sie setzen eine Produktion fort, die zwar im kapitalistischen Sinne produktiv ist, indem sie die Folgekosten zum Beispiel des Klimawandels (und viele andere) der Gesellschaft aufdrückt. Gesamtgesellschaftlich verschärft diese Form der kapitalistischen Produktivität die Lage und verteuert den erforderlichen Wandel. Andererseits steht fest: Wenn sich an der Produktion im weitesten Sinne nichts ändert, wird der Klimawandel immer katastrophaler werden. Es ist also Zeit, über neue Wege nachzudenken.

Ein theoretischer Umweg:
Die Bearbeitung der gemeinsamen Arbeit

Es mag absurd klingen, aber vielleicht eröffnet eine konkrete Kritik der Anwendung des Neoliberalismus in den Unternehmen eine reale Perspektive auf das Erreichen der klimapolitischen Ziele. Um diesen Gedanken zu illustrieren, möchte ich beispielhaft eine bestimmte Managementmethode analysieren, die sogenannte „Balanced Scorecard“ (Robert Kaplan und David Norton, z. B. 2018). Diese Methode ist eine Weiterentwicklung der Methode „Management by Objectives“ (MbO), also der Methode der Zielvereinbarungen in den Unternehmen. (Diese Methode wurde von Peter Drucker 1954, entwickelt.) Dabei kommt es mir nicht auf die Behauptung an, dass es sich dabei um eine echte Vereinbarung handelt. Das würde ich im Gegenteil bestreiten. Wenn ich als Beschäftigter und ein Konzern eine Vereinbarung treffen, ist es ziemlich sicher, dass das Unternehmen am längeren Hebel sitzt. Dementsprechend beklagen viele Beschäftigte meist berechtigt die Verordnung der Ziele.

Die Methode der Zielvereinbarung ist ebenso wie die „Balanced Scorecard“ eine Form der indirekten Steuerung, die hier nicht dargestellt werden kann. Das würde den Rahmen sprengen. (Vgl. dazu Stephan Siemens, Martina Frenzel, „Das unternehmerische Wir – Formen der indirekten Steuerung in Unternehmen“, 2016.) Bei der „indirekten Steuerung“ handelt es sich um eine Anpassung der Unternehmen an einen fundamentalen Fortschritt in der Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit. Diese Behauptung lässt sich illustrieren, wenn man sich mit der „Balanced Scorecard“ beschäftigt. Auf diesem Wege werden der spezifische Fortschritt und seine Einschränkung durch die kapitalistischen Unternehmen und die ihnen entsprechenden Organisation der öffentlichen Behörden sichtbar.

„Smarte“ Ziele

Zunächst handelt es sich bei der „Balanced Scorecard“ um eine Methode der Zielvereinbarung. „Ziele“ sind Zustände, die nicht sind, sondern erreicht werden sollen. Wenn ich hier sitze, wo ich sitze, dann ist es offenbar kein Ziel, hier zu sitzen. Wenn ich dagegen hier sitze, um den Artikel fertig zu schreiben, dann handelt es sich bei letzterem um ein Ziel, weil der Artikel noch nicht fertig ist. Das Hier-Sitzen ist dann ein Mittel, um das Ziel, das Fertig-Schreiben des Artikels, zu erreichen. Wesentlich an einem Ziel im Sinne der Zielvereinbarung ist, dass das Ziel nicht erreicht ist, aber erreicht werden soll. Dazu muss es, wie das so schön heißt, „smart“ sein: spezifisch, messbar, anspruchsvoll, realistisch und terminiert. Das Ziel ist eine ideelle Messlatte, an der die Beschäftigten ihre Arbeit orientieren sollen. Sie sollen ihre Arbeit so organisieren, dass sie das Ziel oder die Ziele, die „vereinbart“ sind, erreichen. Möglich sind auch Zwischenziele, „Meilensteine“. Konkret heißt das: Die Beschäftigten sollen ihre Arbeit anhand dieser Ziele reflektieren und dafür sorgen, dass sie diese Ziele erreichen. Nun sollen diese Ziele Jahr für Jahr vereinbart werden und zugleich anspruchsvoll sein. Im Regelfall bedeutet das, dass die Ziele in diesem Jahr bei gleichen Bedingungen höher ausfallen werden als im letzten Jahr. Sonst kann von „anspruchsvoll“ aus der Sicht des Managements kaum die Rede sein. Die Beschäftigten sind also gehalten, ihre Arbeit so zu verändern, dass sie diese immer höheren Ziele erreichen. Das setzt eine Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit voraus. Die Reflexion der eigenen Arbeit am Maßstab der veränderten Ziele zieht eine Veränderung der Arbeitsorganisation nach sich. Diese Veränderung der Arbeit ist mittlerweile Bestandteil der Arbeitstätigkeit der Beschäftigten in praktische allen Unternehmen. Es handelt sich daher um eine Bearbeitung der eigenen Arbeit als Bestandteil der Arbeitstätigkeit.

Die Ziele als soziale „Realität“

In der Anfangsphase der Zielsetzungstheorie adressierte das Management untergeordnete Führungskräfte und dann auch einzelne Beschäftigte in bestimmten Bereichen mit solchen Zielen. Das galt vor allem dann, wenn den Beschäftigten ein tatsächlicher Einfluss auf ihre Arbeitsorganisation zugestanden wurde. Gegenwärtig wenden sich die Zielsetzungsprozesse vor allem an organisatorische Einheiten wie etwa Teams, die diese Ziele mehr oder weniger bewusst durchsetzen sollen. Damit werden durch eine Art Teambeschluss die Ziele zu einer sozialen Realität in der Zusammenarbeit der Kolleginnen und Kollegen: Sie verfolgen die Ziele dann nicht mehr, weil sie es müssen, sondern weil sie es „wollen“. (Die Bedingungen, die dazu geführt haben, dass sie das wollen, treten erst wieder in das Bewusstsein, wenn die Beschäftigten sich fragen, warum sie das beschlossen haben.) Das Ergebnis dieser Orientierung am Team ist, dass sie sich die Beschäftigten ihren Kolleginnen und Kollegen gegenüber für diese Ziele einsetzen. Sie setzen sie mit der Macht der Gruppe gegen die einzelnen Gruppenmitglieder durch. (Siemens, Frenzel, 2016). Dadurch wird die Bearbeitung der Arbeit und der Zusammenarbeit zu einem gemeinsamen Projekt der zusammenarbeitenden Kolleginnen und Kollegen. (Die teilweise sehr unerfreulichen Folgen dieser Form der Arbeitsorganisation in den Unternehmen sind andernorts reichlich behandelt worden und müssen hier nicht wiederholt werden.)

Man könnte nun auf die Idee kommen, dass das nur ein Trick der Unternehmen sei. Gerade in intellektuellen Kreisen der Linken wird das mitunter so gesehen. Und tatsächlich handelt es sich um eine Form, die Beschäftigten dem kapitalistischen Unternehmen sowohl real als auch gedanklich unterzuordnen. Es handelt sich, wie man es auch dreht und wendet, um eine Managementmethode im Interesse des kapitalistischen Eigentums und seiner Repräsentation im Unternehmen, des Managements. Es geht darum, die Beschäftigten nicht nur zu einem unternehmerischen Denken und Handeln zu gewinnen, sondern ihnen auch mehr und mehr unternehmerische Funktionen zu übertragen. Man kann den Beschäftigten diese Funktionen wieder entziehen. Aber dann muss man auch auf die damit verbundenen Produktivitätsgewinne verzichten. Das ist auf die Dauer nicht vorteilhaft für die Unternehmen, weil sie ihre „Wettbewerbsfähigkeit“ verlieren würden . Deswegen ist der Prozess im Ganzen der Tendenz nach unumkehrbar. Es handelt sich um eine historische Tendenz. Daher lohnt sich eine weitere Auseinandersetzung damit.

Die Ziele sollen also messbar sein. Um sie messen zu können, muss ich Gesichtspunkte oder Maßstäbe formulieren, unter denen ich die Erreichbarkeit der Ziele zu einem bestimmten Zeitpunkt messen kann. Diese Gesichtspunkte scheinen recht willkürlich zu sein, wenn sie auch einen Zusammenhang mit der Arbeit haben müssen. So kann man die Beschäftigten der Frage der Kundenzufriedenheit, der Weiterbildung, des Umsatzes pro mitarbeitende Person, mit dem Krankenstand peinigen, je nachdem, welche Gesichtspunkte den größten Druck erzeugen. Dafür ist es wichtig, die Gesichtspunkte in Zielzahlen umzusetzen. Mit anderen Worten: die Unternehmensleitungen nutzen diese Möglichkeit schamlos aus, um den Kolleginnen und Kollegen mit immer wieder neue Kriterien zu konfrontieren, nach denen sie ihre Arbeit zu „optimieren“ haben. Aber Gesichtspunkte sind nur Abstraktionen. Sie erfassen nicht das Ganze der Arbeit, so dass sie die Bearbeitung der gemeinsamen Arbeit beschränken. Die meisten Unternehmen haben sich zunächst auf finanzielle Kennzahlen beschränkt, um die Ziele teils messbar zu formulieren, teils die Zielerreichung zu erfassen. Das führte zu einer Kritik an der Einseitigkeit und an der „Kurzfristigkeit“ der Perspektiven, unter denen die Bearbeitung der Arbeit in den Unternehmen genutzt werden.

Widersprechende Ziele gegen die Abstraktion der Ziele

Darauf reagiert die „Balanced Scorecard“. Sie dient der Zielsetzungen einer langfristige Entwicklung der Arbeit in den Unternehmen. Zudem dient sie der Überwindung des abstrakten Charakters der Gesichtspunkte, die in den Zielzahlen erfasst werden. Zunächst hebt die Anwendung der „Balanced Scorecard“ die Einseitigkeit der Ziele auf, indem sie entgegengesetzte Ziele formuliert, die gleichzeitig zu verfolgen sind. Ein Beispiel mag das verdeutlichen: Eine im Callcenter arbeitende Person wird danach beurteilt, wie viele Anrufe sie in welcher Zeit abarbeitet. Findig wie sie ist, nimmt sie die Anrufe entgegen und legt sofort wieder auf. So war das selbstverständlich nicht gemeint. Also entwickelt man eine zweite Kennzahl, die festhält wie oft eine Person, die angerufen hat, wieder anruft (weil ihr Problem nicht gelöst worden ist). Damit wird die arbeitende Person gezwungen, sich mit dem Problem der anrufenden Person produktiv auseinanderzusetzen. Die zweite Zielzahl widerspricht der ersten, indem sie dem Kriterium der Anzahl der entgegengenommenen Anrufe die Qualität der Bearbeitung der Anrufe entgegensetzt. Die im Callcenter arbeitende Person muss sich nun mit dem Anliegen der anrufenden Person so auseinandersetzen, dass ihr tatsächlich geholfen wird, obwohl sie deswegen weniger Anrufe entgegennehmen kann. (Ergänzend werden Zeiten festgelegt, innerhalb derer die Probleme der Anrufenden in der Regel abzuarbeiten sind.)

Durch die Ziele eine Entwicklung planen

Durch das Gewirr der so einander widersprechenden Kennzahlen soll nun eine Entwicklung der Beschäftigten in der Arbeit organisiert werden, und also mittelbar eine Entwicklung des Unternehmens. Aber wofür steht ein kapitalistisches Unternehmen? Abstrakt gesprochen produziert es ein bestimmtes Produkt oder verrichtet eine bestimmte Tätigkeit im Rahmen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Es ist für einen Markt, d.h. für andere Personen oder Unternehmen, tätig. Es ist auf die zahlungskräftige Nachfrage angewiesen, um seine Tätigkeit aufrecht zu erhalten. Andererseits sind im Unternehmen viele Beschäftigte tätig, die in einer Weise zusammenwirken müssen, dass die Produktion oder die verrichtete Tätigkeit Gewinn abwirft. Dieser Gewinn speist sich letztlich aus dem – möglichst rationell organisierten – Zusammenwirken der Beschäftigten des Unternehmens zum Zwecke der Produktion des Mehrwerts für das Kapitaleigentum. Für den Erfolg des Unternehmens müssen diese beiden Gesichtspunkte zusammentreffen. Sie scheinen einander äußerlich und zufällig zu sein. Insofern sie aber zusammenkommen müssen, sind sie – zusammengenommen – notwendig. Die Entwicklung des Unternehmens zielt also auf die Fähigkeit der Beschäftigten, diese beiden Aspekte der unternehmerischen Seite ihrer Tätigkeit im Interesse des Kapitaleigentums zu bearbeiten. Das ist der Inhalt dieser sogenannten „Balanced Scorecard“. Sie ist ein System von Kennzahlen, das diese Entwicklung abbilden soll. Sie ist demnach ein Maßstab dafür sein, wie gut die Beschäftigten die unternehmerischen Funktionen im Interesse des Unternehmens wahrzunehmen in der Lage sind.

  1. Finanzwirtschaftliche Zielzahlen

Um diese Entwicklung abzubilden, gehen die Autoren der „Balanced Scorecard“, Robert Kaplan und David Norton, von den für die Unternehmen unmittelbar relevanten Kennzahlen aus. Das sind die finanzwirtschaftlichen Kennzahlen, also Gewinn, Umsatz, Wachstum, Kostensenkung, Produktivitätssteigerung im Sinne des Kapitals, Risikoabsicherung etc. Diese Kennzahlen bilden die bleibende Basis der Zielsetzung der Bearbeitung der gemeinsamen Arbeit, in der sich die Weiterentwicklung der Bearbeitung der gemeinsamen Arbeit letztlich ausdrücken muss. Andererseits sind die finanziellen Kennzahlen lediglich der Ausgangspunkt der Entwicklung. Denn die ihnen zugrundeliegende Prozesse gelangen in den finanzwirtschaftlichen Zahlen an die Oberfläche. Sie bringen nur die Weiterentwicklungen zum Ausdruck, auf die sich die „Balanced Scorecard“ der Reihe nach konzentriert. Auf die Bearbeitung dieser zugrundeliegenden Prozesse orientiert die „Balanced Scorecard“ die Beschäftigten zunehmend, um eine dauerhafte Verbesserung der finanziellen Kennzahlen zu erreichen. Die Managementform bleibt daher nicht bei der Spiegelung der gemeinsamen Arbeit auf der Ebene der Resultate stehen, sondern wendet sich im Laufe der Entwicklung mehr und mehr den Ursachen der Verbesserungen im Sinne der Unternehmen zu.

2. Zielzahlen, um gesellschaftliche Nachfrageseite zu bearbeiten

Der nächste Schritt, den Kaplan und Norton ins Auge fassen, besteht in der Betrachtung der Zusammenarbeit der Beschäftigten aus der Perspektive der Kunden. Auch hier werden Kennzahlen entwickelt, an denen sich die Beschäftigten in der Bearbeitung der gemeinsamen Arbeit orientieren sollen. Hier adressieren die Unternehmensleitungen den einen Aspekt der Unternehmerfunktion, nämlich die Orientierung an der zahlungskräftigen Nachfrage. Kundentreue, Marktanteile und Akquisition, sowie Kundenzufriedenheit und die Rentabilität der Geschäfte mit den jeweiligen Kunden usw, werden gemessen. Die Ziele sollen zu einer „Optimierung“ der Kundenorientierung beitragen. Das Image des Unternehmens bei den Kunden soll von den Beschäftigten aufpoliert, die Kundenbeziehungen stabilisiert und ausgebaut werden.

Es geht um die Orientierung der Bearbeitung an der zahlungskräftigen Nachfrage. Diese steht bei einem kapitalistischen Unternehmen für die Orientierung der gemeinsamen Arbeit an anderen, also für eine Seite der Gesellschaftlichkeit der gemeinsamen Arbeit. Das gilt dann auch sowohl für die Produkte und Dienstleistungen im Einzelnen, wie die Kundenbeziehung im Besonderen und das Image des Unternehmens im Allgemeinen. Es handelt sich also um eine umfassende Bearbeitung dieser Seite der Unternehmerfunktion durch die Beschäftigten.

Sollten die Ziele auf diesem Wege erreicht werden, wird sich das auch in den finanziellen Kennzahlen niederschlagen, die infolgedessen zugleich als ein Gradmesser dafür erscheinen, ob die richtigen Kennzahlen für die Kundenorientierung ermittelt worden sind, und ob das Erreichen der Kennzahlen im Bereich der Kundenorientierung tatsächlich zur Optimierung des Unternehmens im kapitalistischen Sinne beiträgt. Denn letztlich zeigt nur die nachhaltige Gewinnsteigerung eine Verbesserung der gemeinsamen Arbeit der Beschäftigten im Sinne des Unternehmens an.

3. Zielzahlen, um die Organisation der Produktion zu bearbeiten

Gesetzt den Fall, die Beschäftigten wären auf dem Weg, diese Kennzahlen zu erreichen. Dann wäre der nächste Entwicklungsschritt fällig, die Bearbeitung der internen Organisation im Interesse des Unternehmens. Hier würden Produktentwicklung, „time to market“ und Forschungsvorsprung vor der Konkurrenz usw. eine Rolle spielen. Es ginge dann um die Frage: Wie können Produkte schnell und doch qualitativ hervorragend entwickelt, in Prototypen realisiert, getestet und auf den Markt gebracht werden. Auch dies kann in Kennzahlen erfasst werden. Diese Kennzahlen dienen der Fokussierung der Beschäftigten auf die Beschleunigung und qualitative Sicherung der internen Prozesse, die möglichst zügig und möglichst ökonomisch realisiert werden sollen. Damit befasst sich diese Seite der Bearbeitung der gemeinsamen Arbeit mit der Frage, wie die Zusammenarbeit im Unternehmen verbessert werden kann. Es werden also sowohl die Effektivität – die Frage, was produziert werden kann – wie auch die Effizienz – die Frage, wie produziert werden soll – der Bearbeitung unterworfen. Letztlich geht es darum, das Unternehmen nicht nur auf dem Markt zu positionieren, sondern auch die Prozesse so zu trimmen, dass sie im Rahmen der Produktion möglichst nachhaltig gewinnorientiert realisiert werden können. Es geht um die langfristige Sicherung der Profitabilität.

Selbstverständlich wird diese Veränderung sich auch auf die Kundenorientierung auswirken. Denn die Verbesserung der Prozesse zeigt sich auch in der Verbesserung der Produkte, bzw. der Dienstleistungen. Diese sollen nicht nur preiswerter, sondern auch qualitativ besser angeboten werden. Das stärkt die Kundenbindung und ermöglicht positive Erfahrungen mit den Kunden. Die Marke wird anerkannt, die Position des Unternehmens ist bei weiteren Kreisen der Kunden bekannt. Darauf kann die Kundenorientierung aufbauen. Eine Verbesserung der Prozesse wird sich daher auch auf eine Verbesserung der Kundenbeziehungen auswirken – so die Managementlehre. Das wiederum wird zu einer Verbesserung der finanziellen Kennzahlen führen, die dadurch einen weiteren Schub erhalten und an Nachhaltigkeit gewinnen sollen. Damit wird die gemeinsame Arbeit unter dem zweiten Aspekt der unternehmerischen Funktion zum Gegenstand der Bearbeitung der Beschäftigten: Die Rationalität der Organisation der Arbeit im Unternehmen wird verbessert, nicht in erster Linie durch geschickte Tricks der Unternehmen, sondern durch Reflexion und Weiterentwicklung der Arbeit und Zusammenarbeit von Seiten der Beschäftigten. In der Entwicklung sind nun beide Aspekte der unternehmerischen Funktion zum Arbeitsgegenstand der Beschäftigten geworden.

4. Entwicklung der Qualifikation der Beschäftigten:
Die Integration der Unternehmerfunktion in die Arbeit

Doch damit nicht genug: Bislang wurde nur die Tätigkeit der Beschäftigten und insbesondere ihre unternehmerische Seite bearbeitet und weiterentwickelt. Nun geht es um die Integration dieser beiden Seiten der Unternehmerfunktion. Im Rahmen der Tätigkeit der Beschäftigten werden diese beiden Seiten zusammengenommen zur Bearbeitung der Gesellschaftlichkeit der gemeinsamen Arbeit. Durch die Integration wird die Zufälligkeit der Beziehung der beiden Seiten weggearbeitet. Thema der Bearbeitung ist nun ihre notwendiger Zusammenhang. Damit rückt die Qualifikation der Beschäftigten und ihre Weiterentwicklung in den Mittelpunkt. Auch dafür werden Kennzahlen entwickelt, die abzuarbeiten sind. Relativ bekannt sind die Zufriedenheit der Beschäftigten, die Fluktuation sowie die Produktivität pro beschäftigte Person. Qualifikation, Information und Motivation werden ebenso weiterentwickelt. Lernprozesse in der Zusammenarbeit bei den Mitarbeitenden werden erfasst, bewertet und verbessert. Die Zielausrichtung der Beschäftigten wird nach und nach erarbeitet sowie die Identifikation der Beschäftigten mit dem Unternehmen. Insgesamt wird dies als „Empowerment“ bezeichnet.

Auch die „Optimierung“ dieser Bereiche der Arbeit und Zusammenarbeit der Beschäftigten werden Auswirkungen auf die vorhergehenden Kennzahlen haben. Die Prozesse werden schneller und auf die größere Menge bezogen qualitativ besser laufen, versprechen die Unternehmensberatungen, die das Konzept der „Balanced Scorecard“ an die Unternehmen verkaufen. Sie werden sich in einer besseren Kundenorientierung niederschlagen und sich also auch in einer Verbesserung der finanziellen Kennziffern darstellen. Die Nachhaltigkeit der Entwicklung hängt damit von dem Zusammenhang dieser Schritte in der Bearbeitung der gemeinsamen Arbeit und der Zusammenarbeit ab.

Daran wird – so hoffe ich – deutlich, dass diese Weiterentwicklung in keiner Weise trivial ist, sondern eine spezifische Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit in der Gegenwart nutzt, nämlich die Fähigkeit der Beschäftigten, ihre Arbeit im Rahmen der Arbeitstätigkeit zu bearbeiten. Die Funktionen des Managements werden – soweit es die Arbeit selbst betrifft – mehr und mehr von den Teams, d.h. von den zusammenarbeitenden Beschäftigten selbst, übernommen. Das Management konzentriert sich auf die Schaffung einer „Umwelt“, d.h. eines unternehmensinternen Markts, auf dem sich die zusammenarbeitenden Beschäftigten behaupten müssen. Schließlich ist die Nachhaltigkeit der Gewinne, die die in organisierten Einheiten arbeitenden Beschäftigten machen, bzw. der Einsparungen, die die Beschäftigten erbringen, das letzte Kriterium der Bewertung der Bearbeitung der gemeinsamen Arbeit. Beides dient der Unterordnung der neuen produktiven Fähigkeiten unter die kapitalistischen Unternehmen bzw. die ihnen entsprechend organisierten Behörden.

Den gesellschaftlichen Charakter der gemeinsamen Arbeit aneignen

Die Weiterentwicklung der Arbeit und der Zusammenarbeit der Beschäftigten stellt sich in einer fortlaufenden Erhöhung der entsprechenden Zielzahlen dar. Da Zahlen einzig und allein des Mehr oder Weniger fähig sind, erscheint die Entwicklung als eine relativ unsinnige, vielleicht sogar widersinnige Aneinanderreihung von erhöhten Zahlen, die kein Ende zu nehmen scheint – und aus der Sicht der Unternehmen auch kein Ende nimmt und kein Ende nehmen soll. Tatsächlich aber verbirgt diese angebliche Sinnlosigkeit eine Weiterentwicklung der Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit, oder anders formuliert der Zusammenarbeit der Beschäftigten. Denn was für die Unternehmen zufällig ist, die Beziehung der Arbeit für andere auf dem Markt und die Organisation der Arbeit im Unternehmen, ist aus der Sicht der tatsächlichen gemeinsamen Arbeit der Beschäftigten notwendig, um gesellschaftlich nützliche Arbeit zu leisten. Dieser notwendige Zusammenhang wird zum Arbeitsgegenstand der zusammenarbeitenden Beschäftigten. Damit wird die Gesellschaftlichkeit ihrer Arbeit zu ihrem Arbeitsgegenstand. Wenn man so will: Sie lernen, den gesellschaftlichen Charakter ihrer Arbeit in der Arbeit selbst zu erfassen und umzusetzen, während das Kapital – nicht nur die Eigentümerinnen und Eigentümer – seine produktive Funktion im selben Maße verliert. Indem die Beschäftigten sich diese Fähigkeiten in der Arbeit selbst aneignen (müssen), stellen sich Fragen nach dem Sinn der Arbeit und nach ihren gesellschaftlichen und natürlichen Wirkungen.

Der wirkliche Umweg in der gesellschaftlichen Praxis

Können die sich so entwickelnden Fähigkeiten der Beschäftigten nicht über die Unternehmensinteressen hinaus genutzt werden – etwa, um nur ein Beispiel zu nennen, in der Frage der Verlangsamung und des Stoppens des Klimawandels? Sollte weiter der Umweg über die Gesetze gemacht werden, so stellt sich die Frage, ob die Zeit reicht, um den Klimawandel auf 1,5 Grad Erwärmung bis 2035 zu reduzieren. Im Moment sieht es nicht so aus. Denn gegenwärtig haben wir folgenden Prozess vor uns: Einige in den Wissenschaften arbeitende Personen stellen fest, dass ein bestimmter Prozess das Klima belastet. Dann beginnt der Versuch, eine gesellschaftliche Bewegung zustande zu bringen. Das dauert ca. 5 Jahre. Im Anschluss daran kämpft diese Bewegung um die Mehrheitsmeinung in der Gesellschaft. Das zieht sich etwa 10 Jahre hin. Diese Mehrheitsmeinung formiert sich in den politischen Parteien. Das geht verhältnismäßig schnell, sagen wir 3 – 5 Jahre. Dann kommt es auch schon zu Parlamentsbeschlüssen, die dann einen Umsetzungszeitraum von noch einmal 5 – 10 Jahren erfordern. Denn erst nach dem Beschluss stellen sich die Unternehmen darauf ein. Es dauern diese Maßnahmen also etwa 30 Jahre. Soviel Zeit haben wir nicht.

Aber das ist auch ein Umweg, der als solcher keinen demokratischen Charakter hat. Er ist deswegen erforderlich, weil er die Bearbeitung der gemeinsamen Arbeit durch die Beschäftigten in den Unternehmen unter die Unternehmensziele subsumiert. Dadurch wird die Durchsetzung gesellschaftlicher Prozesse und speziell der Fortschritte bei der Bekämpfung des Klimawandels von ihrer Profitabilität abhängig gemacht. Zudem müssen die Unternehmensleitungen auch noch einsehen, dass diese Maßnahmen profitabel sind.  Auch daran hakt es mitunter.

Die demokratische Orientierung der Bearbeitung der Arbeit

Wir brauchen eine veränderte Orientierung der Bearbeitung der gemeinsamen Arbeit – eine bewusste Orientierung an den gesellschaftlichen und ökologischen Maßstäben. Selbst wenn das Management wollte: Die Unternehmensleitungen haben sich meist in „Holdings“ zurückgezogen. D.h. sie verhalten sich nur noch wie Banken ihren Kreditnehmern gegenüber. Das bedeutet auch, dass sie die eigentlichen Produktionsprozesse nicht mehr kennen, geschweige denn beherrschen können. Sie sind daher nicht mehr in der Lage, die notwendigen Veränderungen „von oben“ durchzusetzen. Noch viel weniger wird das gelingen, wenn sie auf äußerlich politischem Wege dazu gezwungen werden sollten. Die erforderlichen Veränderungen können nur die Beschäftigten selbst erarbeiten. Es ist eine Illusion, dass man längst wüsste, wie die Probleme zu lösen sind, und als bräuchte man diese bekannten Lösungen nur noch politisch durchzusetzen. Man muss sie erarbeiten. Das kann nur den Beschäftigten gelingen.

Unternehmerische Mitbestimmung  

Die Form, eine solche Umorientierung in den Unternehmen durchzusetzen, ist die Mitbestimmung der Betriebsräte und der Gewerkschaften. Deswegen brauchen wir eine Stärkung dieser Mitbestimmung, vor allem in unternehmerischen Entscheidungen. Nur dann werden wir in der Lage sein, die Produktion nicht nur von außen – und mit großen Umwegen – umzusteuern, sondern die neuen Fähigkeiten der arbeitenden Menschen, ihre gemeinsame Arbeit zu bearbeiten, an den wirklichen gesellschaftlichen Interessen zu orientieren. Es kommt daher darauf an, die Position der Betriebsräte und der Gewerkschaften in den Unternehmen zu stärken und eine Zusammenarbeit dieser Institutionen mit den Wissenschaften und den einschlägigen außerparlamentarischen Bewegungen, vor allem mit der Ökologiebewegung, zu organisieren. Das wird allerdings nur gelingen, wenn man jede elitäre Einstellung gegenüber den Beschäftigten ablegt und die linken Organisationen sich – zumindest auch – wieder mit den Problemen auseinandersetzen, die die Beschäftigten bewegen. Diese Probleme resultieren daraus, dass sich die neuen Fähigkeiten – wie im Kapitalismus üblich – gegen die Beschäftigten wenden, solange sie nicht begriffen werden. Das äußert sich unter anderem in Mobbing und Burnout, in überlangen Arbeitszeiten und organisierter nachlassender Solidarität unter den Beschäftigten, zugunsten einer „Solidarität“ mit den Unternehmen. (Das ist ein weites Feld, das hier nicht ausführlich behandelt werden kann.) Man kann die produktiven Fähigkeiten der Beschäftigten aber nur dann für die Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Zielen gewinnen, wenn man sich den für sie daraus resultierenden Problemen zuwendet. Man kann sich diesen Problemen nur zuwenden, wenn man die Produktivkraftentwicklung, die in diesen Problemen zum Ausdruck kommt, selbst begreift und den Beschäftigten bewusst macht. Wenn das gelingt, dann wird mit den Beschäftigten nach den Wegen suchen, wie man z. B. die ökologischen Probleme in Wirklichkeit lösen kann. Dann würde man nicht illusionär voraussetzen, dass die Lösungen schon da sind, die man nur (mit den Unternehmen gegen die Beschäftigten) durchsetzen muss. Wenn aber die Lösungen nicht da sind, dann kann man bei der Erarbeitung der Lösungen dieser Probleme weder theoretisch noch praktisch auf die Beschäftigten verzichten.

Die Gefahr von Rechts

Die Alternative ist einfach: Die Wege der Durchsetzung werden immer autoritärer und die Beschäftigten fühlen sich immer weniger durch die angebliche „Elite“ vertreten. Sie wandern nach rechts, und immer weiter nach weit rechts. Denn die gesellschaftlichen Anforderungen an ihre Arbeit treten ihnen fremd gegenüber in der Form der Unterdrückung durch die fortschrittlichen Kräfte, die sich um der Durchsetzung ihrer gesellschaftlich sinnvollen Ziele willen mit der Kapitalseite verbinden – gegen die Beschäftigten. Wenn dies als Demokratie erscheint – und das tut es zur Zeit – dann werden die Beschäftigten diese Demokratie nicht begrüßen, sondern ablehnen und bekämpfen. Und da die Linken dieser Form der Demokratie zugerechnet werden, werden die Beschäftigten sie von Rechts bekämpfen. Das wird die Linken darin bestärken, auf die Kapitalseite zu hoffen und den praktisch wirklichen Umweg weiter zu gehen usw. Den linken Charakter ihrer Initiativen werden sie dadurch zu erhalten suchen, dass sie soziale Absicherungen durchzusetzen versuchen, was mehr oder weniger gelingt. Aber auch darin sind sie von der Zustimmung der Kapitalseite abhängig, weil ihnen nur dieser Weg zur Durchsetzung ihrer Ziele, die die Menschheit retten sollen, zur Verfügung zu stehen scheinen. Aber diese soziale Absicherung verdeckt nur mühsam oder gar nicht das Bündnis mit der Kapitalseite zur Durchsetzung der Menschheitsinteressen gegen die Beschäftigten. Es entsteht ein Teufelskreis, an dessen Ende die akute Gefahr einer faschistischen Diktatur lauert. Das sollten wir zu vermeiden suchen.